Urwald und Klimawandel

Wald steht im ständigen Wandel: Bäume sterben ab und ermöglichen durch die freiwerdenden Ressourcen an Licht, Wasser und Nährstoffe das Wachstum anderer Pflanzen, von Gräsern bis zu Jungbäumen. Seit dem Ende der letzten Eiszeit veränderte sich der Wald ständig, waren es anfangs Kiefern und Haseln die die ersten Wälder bildeten, wanderten ständig neue Arten ein bis schließlich Buche (und in den Mittelgebirgen die Tanne) ihre Dominanz ausbreitete. Dann trat schließlich vor etwa 5.000 Jahren der Mensch auf und veränderte die Wälder erneut, indem er Biomasse in Form von Holz und Ästen aus dem Wald entfernte.

Fotomontage mit einem Baum zwischen einer ausgetrockneten und einer saftig grünen Landschaft
Der Klimawandel setzt auch den Wäldern zu.

Mit dem Klimawandel tritt aber eine ganz neue Art der Veränderung auf. Sie ist durch zwei wesentliche Eigenschaften charakterisiert: einerseits können die Auswirkungen (zumindest lokal) derart stark sein, dass an manchen Flächen gar kein Wald mehr wächst, weil es zu trocken wird. Zum anderen gehen die Veränderungen in einem derart raschen Tempo vor sich, das die Bäume und auch die meisten anderen Waldlebewesen kaum damit Schritt halten können. Als eine der ersten Veränderungen treten Laubverfärbung und Laubfall später ein.

Aber auch im Tierreich ändern sich Verhaltensmuster: Viele Vogelarten brüten um ein bis zwei Wochen früher als noch vor 30 Jahren. Zugvögel beginnen ihren Winterzug später und die Zugstrecken werden kürzer, manche Arten überwintern mittlerweile im Brutgebiet. Daneben dehnen südeuropäische Tierarten zunehmend ihre Verbreitungsgebiete nach Mitteleuropa aus und wandern in Mitteleuropa ein.

mächtige alte Buchen
Bäume sind für Jahrhunderte ein lebender Speicher von Kohlenstoff.

Verlängerte Vegetationsperiode könnten sich, ausreichende Wasser- und Nährstoffversorgung vorausgesetzt, auch positiv auf das Pflanzenwachstum auswirken. So wird erwartet, dass sowohl Wald- als auch Baumgrenze nach oben wandern und der Wald damit sein Einflussgebiet ausweitet.

Im Zuge der Diskussionen zum Klimawandel und der damit ver­bundenen Maßnahmen zum Klimaschutz rücken Wälder als Koh­lenstoffspeicher immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit. Wäl­der speichern langfristig Kohlenstoff in der Biomasse der Bäume, aber auch im Totholz und im Mineralboden. Wie viel CO2 der Atmosphäre entzogen wird, hängt davon ab wie alt der Baum bzw. der Bestand ist und welche Baumarten dominieren. Als Richtwert kann man aber davon ausgehen das für das Wachstum eines Festmeter Holzes etwa eine Tonne CO2 aus der Atmosphäre entzogen wird, in Jungbeständen kann dieser Wert bis auf das Doppelte ansteigen.

Eine Fichten-Monokultur
Strukturreiche Naturwälder sind gegenüber dem Klimawandel resistenter als Monokulturen.

Im Sommer 2019 hat eine Studie der ETH Zürich kurzfristig viel mediale Aufmerksamkeit erhalten: Der Wald ist ein wesentlicher Schlüsselfaktor im Kampf gegen den Klimawandel. Konkret zeigt die Studie, dass die Wiederbewaldung ehemaliger Waldflächen dabei helfen würde der Atmosphäre Kohlenstoff zu entziehen und somit die Auswirkungen des Klimawandels zumindest zu verlangsamen. Abseits von bestehenden Wald- und landwirtschaftlichen Flächen, stehen weltweit nahezu 1 Milliarde ha Fläche zur Verfügung, die derzeit unbewaldet sind, aber potentiell Wald sein könnten. Das entspricht etwa der Fläche Ägyptens oder Kolumbiens. Dies würde einen Zuwachs der globalen Waldfläche von 25 % bedeuten. Dieser massive Zuwachs an Waldfläche würde langfristig den globalen Kohlenstoffanteil der Atmosphäre um ein Viertel senken. Bemerkenswert an dieser Studie ist vor allem der Fakt, das noch so viel potentielle Waldfläche vorhanden ist ohne, dass man Agrarflächen in Wald zurückverwandeln müsste.

Somit rückt aber auch der Erhalt und die Erweiterung von Urwäldern in ein neues Licht: Urwälder bedeuten nicht nur Rückzugsräume für gefährdete Tierarten, sondern sind auch ein aktiver Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel.